Der Gender Pay Gap ist ein globales Phänomen, das sich in nahezu allen Branchen und Gesellschaften zeigt. Er stellt die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen dar, die sich aufgrund verschiedener Faktoren ergibt. Trotz jahrzehntelanger Bemühungen um Gleichberechtigung besteht diese Ungerechtigkeit weiterhin. Es handelt sich dabei nicht nur um ein statistisches oder ökonomisches Problem, sondern auch um ein gesellschaftliches: Stigmatisierung, stereotype Rollenbilder und tief verwurzelte Vorurteile tragen wesentlich dazu bei, dass Frauen nach wie vor schlechter bezahlt werden als Männer.
Der Gender Pay Gap stagniert in Deutschland zum vierten Mal in Folge: höchste Zeit zu handeln!
Der Gender Pay Gap bezeichnet den Unterschied im durchschnittlichen Einkommen von Männern und Frauen. Dieser kann in einen unbereinigten und einen bereinigten Gender Pay Gap unterteilt werden. Der unbereinigte Gender Pay Gap betrachtet die durchschnittlichen Bruttolöhne ohne Berücksichtigung von Faktoren wie Beruf, Arbeitszeit oder Qualifikation. Der bereinigte Gender Pay Gap hingegen analysiert den Unterschied, der selbst dann bestehen bleibt, wenn solche Faktoren einbezogen werden.
In Deutschland liegt der unbereinigte Gender Pay Gap seit dem Jahr 2020 unverändert bei etwa 18%. Das bedeutet, dass Frauen im Durchschnitt 18% weniger verdienen als Männer. Selbst der bereinigte Gap zeigt eine signifikante Lücke von etwa 6%, die nicht durch äußere Faktoren erklärt werden kann. Diese Diskrepanz weist auf strukturelle Ungerechtigkeiten und tief verankerte gesellschaftliche Probleme hin.
Stigmatisierung von Frauen am Arbeitsplatz
Ein wesentlicher Faktor, der zum Gender Pay Gap beiträgt, ist die Stigmatisierung von Frauen. Frauen werden häufig als weniger belastbar oder weniger engagiert wahrgenommen, insbesondere wenn sie Kinder haben oder planen, eine Familie zu gründen. Diese Vorurteile führen dazu, dass Frauen seltener für Führungspositionen in Betracht gezogen werden, obwohl Studien zeigen, dass Diversität in der Führungsebene die Produktivität und Innovationskraft eines Unternehmens steigern kann.
Ein weiteres Beispiel für Stigmatisierung ist die sogenannte „Mutterstrafe“. Frauen, die Kinder bekommen, erleben oft erhebliche Einkommenseinbußen, während Männer mit Kindern nicht nur keine Einkommensverluste hinnehmen müssen, sondern oft sogar finanziell profitieren (sogenannter „Vaterbonus“). Diese Ungleichheit spiegelt eine gesellschaftliche Erwartung wider, dass Frauen primär für die Betreuung von Kindern verantwortlich sind. Arbeitgeber nehmen häufig an, dass Mütter weniger flexibel oder weniger engagiert sind, was wiederum ihre beruflichen Aufstiegschancen mindert.
Stereotype Rollenbilder und ihre Auswirkungen
Stereotype Rollenbilder prägen die Gesellschaft von klein auf und beeinflussen maßgeblich, welche Berufe Männer und Frauen wählen. Schon in der Kindheit werden Mädchen oft dazu ermutigt, fürsorgliche und soziale Rollen einzunehmen, während Jungen zu Wettbewerb und technischen Fähigkeiten gedrängt werden. Diese Sozialisation spiegelt sich später in der Berufswahl wider: Frauen sind überproportional in schlecht bezahlten Berufen wie Pflege, Bildung oder sozialen Diensten vertreten, während Männer häufiger in gut bezahlten Branchen wie IT, Ingenieurwesen oder Finanzwesen arbeiten.
Diese geschlechtsspezifische Berufswahl ist nicht das Ergebnis von freien Entscheidungen allein, sondern von gesellschaftlichen Erwartungen und der ungleichen Wertschätzung verschiedener Berufe. Die Tatsache, dass Berufe, in denen Frauen dominieren, systematisch schlechter bezahlt werden, zeigt, wie tief verankert diese Rollenbilder sind. Dies wird als „horizontaler Gender Pay Gap“ bezeichnet.
Vorurteile im beruflichen Umfeld
Vorurteile gegenüber Frauen manifestieren sich oft subtil, haben aber dennoch erhebliche Auswirkungen. Frauen sehen sich häufig mit der „gläsernen Decke“ konfrontiert, einem unsichtbaren Hindernis, das sie daran hindert, in höhere Positionen aufzusteigen. Gleichzeitig werden sie in Führungspositionen oft strenger bewertet als ihre männlichen Kollegen. Während Männern Führungsqualitäten wie Durchsetzungsvermögen und Entscheidungsstärke zugeschrieben werden, werden Frauen mit denselben Eigenschaften als „bossy“ oder unangenehm wahrgenommen.
Auch das sogenannte „Kompetenz-Paradox“ wirkt sich negativ aus: Während Männer oft aufgrund ihres Potenzials befördert werden, müssen Frauen ihre Kompetenz wiederholt unter Beweis stellen. Diese doppelte Messlatte sorgt dafür, dass Frauen seltener in Führungspositionen gelangen und dadurch weniger verdienen.
Ein weiteres Problem ist die ungleiche Verhandlungssituation. Studien zeigen, dass Frauen, die bei Gehaltsverhandlungen genauso selbstbewusst auftreten wie Männer, oft als unhöflich wahrgenommen werden, was ihre Karrierechancen negativ beeinflussen kann. Dies schreckt viele Frauen davon ab, höhere Gehälter einzufordern, was den Gender Pay Gap weiter vergrößert.
Maßnahmen zur Überwindung des Gender Pay Gaps
Die Bekämpfung des Gender Pay Gaps erfordert ein umfassendes Umdenken in der Gesellschaft sowie konkrete politische und betriebliche Maßnahmen. Zu den wichtigsten Schritten gehören:
- Transparenz bei Gehältern: Unternehmen sollten verpflichtet werden, die Gehälter nach Geschlecht offenzulegen. Dies erhöht das Bewusstsein für bestehende Ungerechtigkeiten und setzt Anreize zur Angleichung.
- Förderung von Frauen in Führungspositionen: Quoten und gezielte Förderprogramme können dazu beitragen, die gläserne Decke zu durchbrechen und mehr Frauen in Entscheidungsebenen zu bringen.
- Elternzeit und Kinderbetreuung: Eine gleichberechtigte Elternzeit und der Ausbau von Betreuungsmöglichkeiten können dazu beitragen, dass Frauen nach der Geburt eines Kindes nicht benachteiligt werden.
- Abbau von Stereotypen: Bildungsprogramme und Kampagnen sollten darauf abzielen, geschlechtsspezifische Rollenbilder zu hinterfragen und jungen Menschen die Freiheit zu geben, Berufe unabhängig von gesellschaftlichen Erwartungen zu wählen.
- Sensibilisierung am Arbeitsplatz: Trainings und Workshops können dazu beitragen, Vorurteile gegenüber Frauen zu erkennen und abzubauen.
- Reform der Bewertung von Berufen: Berufe, die traditionell von Frauen dominiert werden, müssen neu bewertet und angemessen entlohnt werden.
Der Gender Pay Gap ist das Ergebnis einer komplexen Kombination aus gesellschaftlicher Stigmatisierung, stereotypen Rollenbildern und tief verwurzelten Vorurteilen gegenüber Frauen. Um diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, ist ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, der alle Bereiche des Lebens und Arbeitens einbezieht. Durch ein kollektives Engagement von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kann eine gerechtere Zukunft geschaffen werden, in der Frauen für ihre Arbeit genauso wertgeschätzt und bezahlt werden wie Männer.