Macht ist ein zentrales Element jeder Organisation. Sie beeinflusst das Verhalten von Führungskräften und Mitarbeitenden. Dabei sind Machtspiele allgegenwärtig. Sie werden häufig eingesetzt, um den eigenen Einfluss des Machtspielers geltend zu machen. Nicht immer wird dabei fair gespielt, und es kommt zu Manipulation und Machtmissbrauch. Dabei wird viel Zeit und Energie vergeudet, was nicht nur den Betroffenen, sondern auch der Organisation schadet.
Im Folgenden stelle ich Möglichkeiten vor, wie man destruktive Machtspieler erkennt und ein wirkungsvolles Leadership etablieren kann.
Macht und Machtspiele
Macht wird allgemein als die Fähigkeit definiert, Menschen, Ereignisse und sich selbst zu kontrollieren. Wir benötigen Macht, um etwas zu bewegen und verändern zu können. Deshalb ist Macht grundsätzlich weder positiv noch negativ, sondern schlicht und einfach eine Notwendigkeit, um Einfluss zu nehmen und handlungsfähig zu sein. Erst die Art und Weise, wie Macht ausgeübt wird, lässt sie in einem positiven oder negativen Licht erscheinen.
- Positive Macht: fördert Wertschätzung, gegenseitigen Respekt und offene Kommunikation auf Augenhöhe.
- Negative Macht (Machtmissbrauch): führt zu Manipulation, Kontrolle und Abwertung anderer.
Ein Machtspiel ist der negative Gebrauch von Macht. Claude Steiner definiert ein Machtspiel als eine bewusste Transaktion, bei der eine Person versucht, das Verhalten einer anderen Person zu ihren eigenen Gunsten zu beeinflussen. Dies geschieht oft indirekt und ohne offenen Dialog. Menschen setzen Machtspiele vor allem dann ein, wenn sie glauben, dass ihr Wunsch an eine andere Person nur schwer zu erfüllen ist.
Beispiele für Machtspiele sind:
- Manipulation durch Andeutungen statt direkter Kommunikation,
- Subtile Drohungen oder emotionale Erpressung,
- Bewusstes Zurückhalten von Informationen, um Macht über andere auszuüben.
Fünf Typen von Machtspielern
Basierend auf den Arbeiten von Claude Steiner entwickelte Jutta Kreyenberg eine Typologie von fünf Machtspielern. Diese unterscheiden sich in ihrer Bewusstheit über ihr Verhalten sowie in der Art und Weise, wie sie Macht ausüben.
- Kaltblütiger Manipulator
Dabei handelt es sich um einen berechnenden Machtspieler, der strategisch und emotionslos agiert. Er setzt auf bewusste Manipulation, hält Informationen zurück und intrigiert, um seine eigenen Interessen durchzusetzen.
Beispiel: Ein Geschäftsführer, der gezielt Konkurrenz unter seinen Managern schürt, um seinen eigenen Einfluss zu sichern.
- Elterlicher Manipulator
Dieser Machtspielertyp nutzt Fürsorge als Kontrollmechanismus. Er bedient sich übermäßiger und ungebetener Hilfsangebote, die in Abhängigkeiten führen.
Beispiel: Eine Führungskraft, die sich als wohlwollender Mentor darstellt, tatsächlich aber die Kontrolle über ihre Mitarbeitenden behalten möchte.
- Unterdrücker
Der Unterdrücker ist eine dominante Persönlichkeit, die mit Druck und Einschüchterung arbeitet. Dafür setzt er direkte Kontrolle, Drohungen und Bestrafungen als Druckmittel ein.
Beispiel: Ein Abteilungsleiter, der Mitarbeitende offen kritisiert und mit negativen Konsequenzen droht, um Gehorsam zu erzwingen.
- Hitzkopf
Der Hitzkopf ist ein impulsiver Machtspieler, der unkontrolliert handelt. Emotionale Ausbrüche, Trotzreaktionen und spontane Manipulationen gehören zum Erscheinungsbild des Hitzkopfs.
Beispiel: Ein Teamleiter, der laute Wutausbrüche hat, um Diskussionen zu dominieren.
- Unschuldiger
Der Unschuldige blendet die Existenz von Machtspielen aus bzw. ignoriert sie bewusst. Sein Verhalten ist geprägt durch Passivität und Vermeidung von Konflikten.
Beispiel: Ein Manager, der sich aus politischen Spielchen heraushält, aber damit unbewusst die Machtspiele anderer unterstützt.
Begünstigende Faktoren für Machtspiele
Machtspiele sind nicht nur eine Frage der menschlichen Persönlichkeit, sondern auch der Struktur und Kultur der Organisation, innerhalb der wir uns begegnen. Insbesondere komplexe Systeme mit widersprüchlichen Hierarchien begünstigen Machtspiele. Dazu gehören:
- Unklare Rollenverteilungen: Wenn nicht klar ist, wer für welche Entscheidung verantwortlich ist, entstehen Machtkämpfe.
- Verdeckte Machtstrukturen: Offiziell gibt es flache Hierarchien, doch informell existieren Machtzentren, die Entscheidungen beeinflussen.
- Widersprüchliche Erwartungen: Beispielsweise bei der Einführung von Teamarbeit in stark hierarchischen Strukturen.
- Unsicherheit durch Veränderungsprozesse: Umstrukturierungen und neue Führungsebenen führen zu Machtverschiebungen und Konkurrenzkämpfen.
Machtspiele durch kluge Strategien entschärfen
Machtspiele sind in Organisationen unvermeidbar. Ein konstruktiver Umgang mit Machtspielen erfordert ein bewusstes Erkennen, klare Kommunikation und gezielte Strategien, um destruktive Dynamiken zu entschärfen. Zu den wirkungsvollsten Maßnahmen gehören:
Machtspiele erkennen und verstehen
- Typische Muster analysieren: Wer spielt welche Rolle? Welche wiederkehrenden Konflikte gibt es?
- Eigene Position reflektieren: Bin ich selbst in ein Machtspiel verwickelt? Welche Rolle spiele ich dabei?
- Nonverbale Signale deuten: Körpersprache, Manipulation durch Schweigen oder verdeckte Drohungen erkennen.
Beispiel: Eine Führungskraft merkt, dass ein Kollege Informationen zurückhält, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. Durch bewusstes Beobachten erkennt sie das Muster und kann gezielt gegensteuern.
Klare Kommunikation und Transparenz schaffen
- Direkte Ansprache statt verdeckter Andeutungen: Konflikte offen ansprechen und auf sachlicher Ebene klären.
- Ich-Botschaften nutzen: Anstatt Vorwürfe zu machen („Du hältst Informationen zurück!“), besser sagen: „Ich habe bemerkt, dass mir bestimmte Daten fehlen. Können wir das gemeinsam lösen?“
- Versteckte Manipulationen entlarven: Subtile Machtspiele durch sachliche Rückfragen aufdecken („Was genau meinen Sie damit?“).
Beispiel: Ein Vorgesetzter spielt seine Mitarbeitenden gegeneinander aus. Die Teammitglieder einigen sich darauf, alle Informationen offen auszutauschen und sich nicht instrumentalisieren zu lassen.
Grenzen setzen und Eskalation vermeiden
- Sich nicht provozieren lassen: Wer sich in emotionale Auseinandersetzungen hineinziehen lässt, verliert oft die Kontrolle.
- Klare Konsequenzen kommunizieren: „Ich bin bereit, sachlich zu diskutieren, aber nicht unter diesen Bedingungen.“
- Bewusst aussteigen: Bei destruktiven Konflikten bewusst nicht mitspielen und die Gesprächsführung übernehmen.
Beispiel: Ein Kollege versucht, durch lautes Dominieren von Meetings seinen Einfluss zu vergrößern. Anstatt sich auf eine lautstarke Auseinandersetzung einzulassen, bleibt man sachlich und fordert eine strukturierte Diskussion.
Strukturelle Veränderungen in der Organisation fördern
- Rollen und Verantwortlichkeiten klar definieren: Unklare Strukturen sind ein Nährboden für Machtspiele.
- Feedback-Kultur etablieren: Offenes und ehrliches Feedback reduziert verdeckte Konflikte.
- Transparente Entscheidungsprozesse: Wenn nachvollziehbar ist, wie Entscheidungen getroffen werden, verlieren Machtspiele an Wirkung.
Beispiel: Ein Unternehmen schafft eine Plattform, auf der wichtige Entscheidungen dokumentiert werden, damit keine Informationen gezielt zurückgehalten werden können.
Persönliche Resilienz stärken
- Emotionale Stabilität bewahren: Wer ruhig bleibt, hat mehr Kontrolle über die Situation.
- Sich nicht persönlich angegriffen fühlen: Machtspiele haben häufig mehr mit der anderen Person als mit einem selbst zu tun.
- Alternative Lösungen finden: Nicht in das „Schwarz-Weiß-Denken“ eines Machtspiels verfallen, sondern kreative Auswege suchen.
Beispiel: Ein Teammitglied wird systematisch ignoriert. Statt sich in die Opferrolle zu begeben, sucht es aktiv Verbündete und baut neue Kommunikationswege auf.
Machtspiele sind in Organisationen unvermeidlich, aber sie können bewusst gesteuert und minimiert werden. Führungskräfte, die sich mit Macht auseinandersetzen, können durch klare Kommunikation, strukturelle Anpassungen und persönliche Resilienz ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem Kooperation statt Manipulation im Vordergrund steht.