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Worte, die verletzen: Strategien gegen verbale Angriffe am Arbeitsplatz

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Vielleicht haben Sie das auch schonmal erlebt: Sie sitzen in einer Besprechung mit Ihren Kolleginnen und Kollegen, um sich gemeinsam über ein fachliches Thema auszutauschen. Sie melden sich zu Wort und teilen den anderen Ihre Analysen und neuesten Erkenntnisse mit. Und plötzlich, wie aus heiterem Himmel, werden Sie von einem Kollegen persönlich angegriffen.

 

Ein Beispiel:

Frau H. ist Projektleiterin bei einem Unternehmen, welches elektronische Bauteile herstellt. Sie ist verantwortlich für ein Projekt zur Optimierung des Herstellprozesses von Mikrochips. Mit der Optimierung soll erreicht werden, dass die Produktion noch kostengünstiger und effizienter wird.

Bei der Analyse des aktuellen Herstellprozesses hat das Projektteam von Frau H. einen bahnbrechenden Erfolg erzielt. Das Team hat herausgefunden, dass man einen Fügeprozess durch einen deutlich günstigeren ersetzen könnte, ohne dass sich dadurch die Qualität der Mikrochips verschlechtert. Der neue Fügeprozess wurde erst vor kurzem von der Forschungsabteilung entwickelt. Die Tauglichkeit für die Massenproduktion müsste erst noch erprobt werden.

Im nächsten Projekt-Review-Meeting stellt Frau H. die Ergebnisse des Projektteams vor. Bei dem Meeting sind neben ihrem Projektteam auch die Führungskräfte aller betroffenen Bereiche anwesend. Frau H. erläutert, wie der neue Fügeprozess funktioniert und welche Kostenersparnis zu erwarten wäre, wenn man den alten durch den neuen Fügeprozess ersetzt. Sie geht detailliert darauf ein, dass der neue Fügeprozess noch nicht serientauglich ist und welche Risiken mit der Umstellung auf den neuen Prozess verbunden sind. Abschließend stellt sie einen Projektplan vor, wie man die Tauglichkeit für die Massenproduktion überprüfen und anschließend auf das neue Verfahren umstellen könnte.

Plötzlich fällt ihr Herr M., der Leiter der Produktion, ins Wort und sagt: „Man merkt, dass Sie nicht aus der Produktion kommen. Sie scheinen überhaupt keine Ahnung zu haben, wovon Sie da reden. Das ist kompletter Blödsinn. So funktioniert das nie!“

 

Ruhe bewahren

Häufig kommen solche verbalen Angriffe so überraschend, dass einem erst einmal die Worte fehlen und man gar nicht weiß, wie man reagieren soll. Das ist aber nicht weiter schlimm, weil nach solchen Attacken sowieso erstmal alle im Raum ruhig sind und gespannt darauf warten, wie Sie darauf reagieren. Nehmen Sie sich also die Zeit, die sie brauchen, um angemessen und professionell auf den Angriff zu reagieren.

Zunächst einmal ist es wichtig, die Ruhe zu bewahren. Vermeiden Sie emotionale Reaktionen: Eine defensive oder wütende Reaktion kann die Situation eskalieren lassen und Sie schuldig erscheinen lassen, auch wenn Sie es nicht sind. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit zum Atmen: Tiefes Atmen oder Innehalten hilft, einen klaren Kopf zu bewahren und impulsive Reaktionen zu vermeiden. Machen Sie sich bewusst, dass es bei dem Angriff nicht um Sie geht. Menschen, die verbal um sich schlagen oder falsche Anschuldigungen erheben, haben oft ihre eigenen Motive oder sind verunsichert.

 

Zeit gewinnen durch Brückensätze

Um Zeit zu gewinnen, sind sogenannte Brückensätze nützlich. Das sind Sätze, die nicht den Inhalt, sondern den Prozess betreffen. Brückensätze dienen als psychologische Puffer und helfen dabei, den verbalen Angriff zu entschärfen. Sie geben Ihnen Zeit zum Nachdenken und bieten die Möglichkeit, das Gespräch auf ein Thema zu lenken, welches Ihnen entgegenkommt.* In dem oben genannten Beispiel könnte die Reaktion von Frau H. z.B. folgendermaßen lauten: „Das ist eine recht pauschale Feststellung, Herr M. Ihr Einwand zeigt mir, dass Sie das Vorgehen mit Skepsis sehen. Was konkret sind Ihre Bedenken?“ Mit Hilfe des Brückensatzes gewinnen Sie Zeit und bringen das Gespräch von der emotionalen auf eine sachliche Ebene. Durch die Rückfrage im Anschluss an den Brückensatz zeigen Sie dem Angreifer, dass Ihnen seine Meinung wichtig ist, und lenken das Gespräch wieder in produktive Bahnen. Zudem nehmen Sie den Angreifer in die Pflicht, seine pauschale Behauptung mit Argumenten zu begründen.

 

Für zukünftige Angriffe gerüstet sein

Um für zukünftige verbale Angriffe gerüstet zu sein, empfiehlt es sich, circa zehn Brückensätze parat zu haben. Die Brückensätze sollten zu Ihrer Persönlichkeit und Ihrem Kommunikationsstil passen. Sie sollten in Situationen anwendbar sein, bei denen Sie mit persönlichen Angriffen oder Killerphrasen rechnen. Lernen Sie die Brückensätze auswendig und trainieren Sie sie im Alltag. Auf diese Weise erhöhen Sie Ihre Schlagfertigkeit und haben jederzeit ein Hilfsmittel zur Hand, um beim nächsten verbalen Angriff Zeit zum Nachdenken zu gewinnen und angemessen parieren zu können.

Indem Sie ruhig bleiben und in einer entschlossenen und respektvollen Weise reagieren, können Sie mit verbalen Angriffen, falschen Anschuldigungen und Killerphrasen umgehen und gleichzeitig Ihre Autorität und ein professionelles Umfeld aufrechterhalten.

 

* Thiele. A. (2014). Argumentieren unter Stress (12. Auflage). München: dtv.